Die neue „Leistungsphase 0“ für Architekten und Ingenieure:
Folgen · Haftung · Lösungsansätze
Seit Monaten spricht die Branche von der “Leistungsphase 0”. Da wir sowohl in unserem MRH Trowe Anwaltsnetzwerk – hier im Besonderen die Experten der Kanzlei Luther – als auch in unserem Unternehmen fokussiert Architekten und Ingenieure beraten, möchten wir Ihnen in der folgenden Abhandlung unsere subjektive Einschätzung zu der Thematik zur Hand geben. Hierzu wird Dr. Philipp Pröbsting, Bau- & Architektenrechtexperte der Kanzlei Luther – zunächst seine Einschätzung zur Gesetzesreform geben. Hierbei wird er auch auf die Zielfindungsmethode QFD sowie DIN 18025 bzw. auf die Ausführungen der AHO eingehen. Im finalen Abschnitt werden wir häufige Fragen rund um den Kontext Leistungsphase 0 und Versicherungsschutz aufgreifen und den aktuellen Stand im Versicherungsmarkt wiedergeben.
Bitte beachten Sie, dass sowohl aufgrund fehlender Rechtsprechung sowie verbindlicher Aussagen der Versicherer die weitere Beobachtung des Themas dringend angeraten wird und wir Ihnen lediglich unsere subjektive Einschätzung derzeit darlegen können.
Am 01.01.2018 ist das Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts [Gesetz vom 28.04.2017, BGBl. I, 969] in Kraft getreten und mit ihm auch erstmals gesetzliche Regelungen zum Architekten- und Ingenieurvertrag. Dabei enthalten sind auch originär neue Regelungen zu den Leistungspflichten im Rahmen des Architekten- und Ingenieurvertrages.
So können der Bauherr und der Architekt zukünftig vereinbaren, dass zum Zwecke der Ermittlung der Planungs- und Überwachungsziele vom Architekten zunächst eine Planungsgrundlage samt Kosteneinschätzung erarbeitet und dem Bauherrn vorgelegt wird. Der kann sodann binnen zwei Wochen entweder die Kündigung des Vertrages erklären, oder aber seine Zustimmung, woraufhin dann der „eigentliche“ Architektenvertrag unter Zugrundelegung der Planungsgrundlage und der Kosteneinschätzung „startet“.
Die verbindlichen Mindest- und Höchstsätze der HOAI und die Regelungen mit den Folgen im Falle der Unter- bzw. Überschreitung dieser Sätze verstoßen gegen Europarecht, so das EUGH. Eine Einschätzung hierzu gibt aus unserem MRH Trowe Anwaltsnetzwerk der renommierte Real Estate- und Baurechtsexperte Dr. Pröbsting der Wirtschaftskanzlei Luther ab.
Diese Regelungen sind ganz neu. Die beschriebenen Leistungen sind dem „klassischen“ Architektenvertrag vorgelagert, weshalb für sie bereits der Begriff „Leistungsphase 0“ geprägt wurde. Der Gesetzgeber hat damit bezweckt, einerseits den Architekten vor zu weitgehenden, vergütungsfreien Akquiseleistungen zu schützen (die „Leistungsphase 0“ muss der Bauherr in jedem Fall vergüten), andererseits den noch unentschlossenen Bauherrn vor einer übereilten Vollbeauftragung des Architekten zu schützen.
Es wird diskutiert, wie diese neue Leistungsphase 0 rechtlich zu qualifizieren wäre: Von einem selbständigen Werk- oder gar Dienstvertrag ist die Rede.
Kritisiert wird auch, dass die Begriffe „Planungsgrundlage“ und „Kosteneinschätzung“ keine verbindliche Definition haben, sich eine solche also erst in den kommenden Jahren mit Hilfe der Rechtsprechung herausbilden muss.
Schon heute kann aber Folgendes festgestellt werden:
Die Leistungsphase 0 markiert – wenn sie von den Parteien vereinbart wird – den Beginn einer werkvertraglichen Verpflichtung des Architekten.
Der hier von ihm geschuldete Werkerfolg ist – nach der erforderlichen Abstimmung mit dem Bauherrn zur Bedarfsermittlung – die Vorlage einer den Bedarf des Bauherrn und das technisch, zeitlich und kostenmäßig Machbare berücksichtigenden Planungsgrundlage und einer darauf aufbauenden Kosteneinschätzung. Beide Unterlagen müssen geeignet sein, dem Bauherrn die sachgerechte Entscheidung über die Fortführung des Architektenvertrages zu ermöglichen. Sie werden im Falle der Fortführung – wenn nicht ausdrücklich zwischen den Parteien etwas anderes vereinbart wird – vertragliche Grundlage des eigentlichen Architektenvertrages, bei dem es sich um die Fortführung des bereits begonnenen Vertrages handelt.
Das bedeutet für den Architekten: Fehler in der Planungsgrundlage bzw. der Kosteneinschätzung können im Wege der regulären Gewährleistung zur Haftung des Architekten führen. Sie können darüber hinaus im Falle der Fortführung des Architektenvertrages eine Art Fernwirkung entfalten, weil die weiteren Planungs- und Überwachungsleistungen des Architekten sich innerhalb der Parameter der Planungsgrundlage und der Kosteneinschätzung bewegen müssen, da diese wiederum der Anlass für den Bauherrn waren, sich für die Fortführung zu entscheiden. Dies bedeutet, dass Fehler in der Planungsgrundlage bzw. der Kosteneinschätzung möglicherweise erst später zu Tage treten können, nämlich dann, wenn sich im Zuge der Fortführung des Architektenvertrages erst in einem späteren Planungsstadium herausstellt, dass das Bauvorhaben innerhalb der vorgegebenen Parameter (technisch, zeitlich, finanziell) gar nicht realisierbar ist. Dann haftet der Architekt gegenüber dem Bauherrn.
Angesichts dieser neuen Haftungsquelle kann dem Architekten u.U. zu empfehlen sein, auf die Vereinbarung der neuen Leistungsphase 0 zu verzichten, vielleicht den Bauherrn zunächst im Rahmen kostenloser Akquise bei der eigenen Bedarfsermittlung zu unterstützen. In jedem Fall sollten Bauherr und Architekt im Vertrag möglichst präzise festlegen, was vom Architekten als Planungsgrundlage und Kosteneinschätzung geschuldet ist und wann der Bauherr verpflichtet ist, seine Entscheidung für oder gegen die Fortführung zu treffen.
Fazit seitens MRH Trowe: Wie bereits in der Einleitung erwähnt, gilt es gespannt die Konkretisierung der Rechtsprechung in den nächsten Monaten/Jahren abzuwarten. Gleiches gilt für die genaue Spezifizierung des Berufsbildes und Versicherungsbedingungen, wie wir im Folgenden noch vertiefen werden. Ungeahnt dessen, möchten wir Ihnen für Ihr Risikomanagement – gerade in Zeiten von Unsicherheit – die folgenden Leitlinien an die Hand geben:
1. Schutzwall "Vermeidung/Minderung": Sprechen Sie mit Ihrem spezialisierten Anwalt hinsichtlich vertraglicher Haftungsreduzierung (Stichwort: “präzise Formulierungen”) und fordern Sie laufend ein informiert zu werden, sobald sich Aspekte in der Rechtsprechung konkretisieren. In diesem Zuge empfehlen wir gerne den Newsletter der Kanzlei Luther, um hier auf dem aktuellen Stand zu bleiben.
2. Schutzwall "Berufshaftpflichtversicherung": Im Vorfeld des 01.01.2018 sind wir auf alle relevanten Berufshaftpflichtversicherer im Architekten- & Ingenieurumfeld hinsichtlich einer Aussage zur Versicherbarkeit der Leistungsphase 0 im Rahmen der Berufshaftpflichtversicherung zugegangen. Leider erreichten uns hierzu – u.a. aufgrund fehlender Rechtsprechung – keine verbindlichen Aussagen. Wir wollen Ihnen aber einen Ausblick geben, wie sich die Versicherbarkeit künftig darstellen könnte und was die Faktoren sein dürften:
Grundsätzlich gilt für das Leistungsspektrum der Berufshaftpflichtversicherung, dass die Versicherer im Bereich Planungsdeckung für Architekten, beratende Ingenieure und Bauingenieure bei durchlaufenden Jahresversicherungen keine definierten Leistungsphasen versichern, sondern das Berufsbild des jeweiligen Versicherungsnehmers selbst. Mit Blick auf die „Leistungsphase 0“ ist als Abgrenzung daher wichtig zu berücksichtigen, dass die in der HOAI aufgeführten Leistungen zunächst nur Preisrecht fokussieren und damit zwar Anhaltspunkte für das Berufsbild bilden, aber eben auch nur dies.
Anders stellt sich dies bei reinen Objektdeckungen dar, die ggfs. nur spezielle Leistungsphasen (LP) absichern – hier sollte auf eine fachkundige Klarstellung bei Antragsstellung geachtet werden, um mögliche Deckungslücken zu vermeiden.
Sieht man von einer Objektdeckung ab, so wird es für die Konzeption von funktionierendem Versicherungsschutz also auf die Definition des Berufsbildes in der jeweiligen Berufshaftpflichtversicherung ankommen. Hier ist sowohl ein enger Austausch zwischen Architekt, beratendem Ingenieur und Bauingenieur und Versicherungsmakler notwendig, sodass die Tätigkeiten im potentiellen neuen Projekt transparent sind und mit dem zugrundeliegenden Berufsbild der Berufshaftpflichtversicherung abgeglichen werden können. In diesem Zuge wird es dann die Aufgabe des Versicherungsmaklers sein, sowohl die Konkretisierung des Berufsbilds in Bezug auf die Leistungsphase 0 in den Versicherungsbedingungen zu verfolgen und versicherungstechnisch mitzugestalten sowie Alternativen – u.a. im Bereich der Objektdeckung – aufzuzeigen, sofern sinnvoll. Auch ist ein dynamischer Wettbewerb zu erwarten, der stärker über umfangreichere Berufsbilddefinition „ausgetragen wird“. Hierauf sollten Sie also verstärkt bei der mindestens jährlichen zu erfolgenden Überprüfung der eigenen Berufshaftpflichtversicherung achten, speziell sofern Dienstleistungen im Sinne der Leistungsphase 0 angeboten werden.
3. Schutzwall "D&O-Versicherung": Prüfen Sie, ob der Abschluss einer D&O-Versicherung vor dem Hintergrund der Leistungsphase 0 und dem heutigen Stand der Versicherbarkeit in anderen Policen neu zu überdenken ist. Im Zweifel vermeidet sie nicht nur den Zugriff auf das Privatvermögen der Geschäftsführung, sondern schützt für den Fall der Fälle die Liquidität in Ihrem Büro ("Bilanzschutzfunktion"). Denn auch die Leistungsphase 0 wird in der Phase der Präzisierung neue Anforderungen an die Aufbau- und Ablauforganisation sowie Risiko-Management eines Architektur- oder Ingenieurbüros stellen mit dem Risiko sich hier als Organ (i.W. Geschäftsführung) über ein Organisationsverschulden einer Pflichtverletzung schuldig zu machen. Gut gerüstet ist dann jener, der hierfür eine D&O Versicherung im Vorfeld abgeschlossen hat. Wichtig jedoch, dies ist als finale Schutzmauer zu verstehen, die Herleitung einer fahrlässigen Pflichtverletzung wird nicht in allen Fällen möglich sein zu argumentieren, sodass Sie unbedingt ganzheitlich gemäß aller drei aufgeführten Schutzwälle vorgehen sollten.
Abschließend hoffen wir Ihnen mit diesem Konzept zu helfen die "Risiken entsprechend zu managen", sodass Sie sich auf die Chancen der "Leistungsphase 0" konzentrieren können. Hierbei wünschen wir Ihnen viel Erfolg. Für Rückfragen stehen Ihnen sowohl die Experten der Kanzlei Luther sowie wir von MRH TROWE Insurance Brokers for Architects & Engineers gerne zur Verfügung.