So haften Aufsichtsräte und Beiräte in Unternehmen der öffentlichen Hand
GmbH mit fakultativem Aufsichtsrat als Regelform
Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts, die sich einer privatrechtlichen Gesellschaftsform bedienen, wählen im Regelfall die Rechtsform einer GmbH aus. Für die meisten Fälle ist das geboten, um den Einfluss der jeweiligen Gebietskörperschaft gewährleisten zu können. Denn im Gegensatz zum Vorstand einer Aktiengesellschaft, der nicht weisungsgebunden ist, muss sich der Geschäftsführer bis auf wenige Ausnahmen an die Weisungen der Gesellschafterversammlung halten. Zur Sicherung des Einflusses der Gebietskörperschaft und zur Bindung und Nutzbarmachung von Sachverstand wird meist zusätzlich ein fakultativer Aufsichtsrat (häufig auch „Beirat“ genannt) installiert. Die persönliche Haftungssituation von Mitgliedern solcher Gremien soll im Folgenden beleuchtet werden.
Ansehen und Verantwortung im Aufsichtsrat des öffentlichen Unternehmens
Nicht nur aus Prestigegründen sind die Posten in den Aufsichtsräten solcher Unternehmen insbesondere bei Mitgliedern des Kreistags oder Gemeinderats sehr beliebt. Der jeweilige (Ober-)Bürgermeister oder Landrat ist häufig bereits kraft Satzung Aufsichtsratsvorsitzender. Doch die Aufgaben des Aufsichtsrats bieten nicht nur Chancen der politischen Profilierung, denn die mit dem Aufsichtsratsamt einhergehende Verantwortung und die hiermit verbundene Haftung sind nicht zu unterschätzen und vielen Mitgliedern in ihrer Schärfe häufig nicht bewusst.
Dass Haftungsrisiken immer wieder unterschätzt werden, hat vielfältige Ursachen. Zum einen ist dies sicherlich in der verharmlosenden Benennung des Gremiums als Beirat begründet, zum anderen in der zunehmenden Verschärfung der Gesetzgebung und Rechtsprechung, aus denen man ohne juristische Kenntnisse mögliche Konsequenzen für die eigene persönliche Haftung gar nicht ableiten kann. Des Weiteren werden Haftungsfälle in mehr als 90% „hinter verschlossenen Türen“ verhandelt, sodass diese nur selten medienwirksam in der Presse erscheinen und so andere Aufsichtsräte sensibilisieren können.
„Beirat“ suggeriert einen Unterschied zum Aufsichtsrat hinsichtlich der Pflichten und der entstehenden Haftung
Hinter dem harmlos scheinenden Begriff „Beirat“, den der Aufsichtsrat einer kommunalen GmbH häufig trägt, stehen regelmäßig ähnlich weitreichende Kompetenzen wie sie der Aufsichtsrat einer AG hat. Schließlich soll über den Beirat die Sicherung der kommunalen Interessen gewährleistet werden. Exemplarisch sind Beiräte häufig mit der Bestellung und Abberufung der Geschäftsführung sowie der Feststellung des Jahresabschlusses betraut. Bedeutende Aufgabenfelder, mit denen entsprechende Haftungsregelungen einhergehen.
Aufsichtsräte haften für Fehler der Geschäftsführung
Zu den Kernaufgaben des aktienrechtlichen Aufsichtsrates gehört es, den Vorstand zu überwachen. Erhält der Aufsichtsrat davon Kenntnis, dass der Vorstand eine Pflichtverletzung begangen hat, die zu einem Schaden der Gesellschaft geführt hat, so muss er dem grundsätzlich nachgehen. Kommt er zum Schluss, dass es einen Schadensersatzanspruch gegen einzelne oder mehrere Vorstandsmitglieder gibt, so muss der Aufsichtsrat diese Schadensersatzansprüche grundsätzlich verfolgen. Es gelten nur wenige Ausnahmen. Tut er dies nicht, setzt sich der Aufsichtsrat der Gefahr der eigenen Haftung gegenüber der Gesellschaft aus.
Diese Haftung kann inhaltlich und zeitlich sehr weit gehen. Im Jahr 2018 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass ein Aufsichtsratsvorsitzender unter Umständen sogar dazu verpflichtet sein kann, den Vorstand dazu anzuhalten, mögliche Schadensersatzansprüche gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden selbst zu verfolgen.
Es gebe kein generelles Verbot der Selbstbezichtigung in diesem Bereich. Allenfalls bei strafrechtlich relevanten Informationen könne man über Beweisverwertungsverbote nachdenken. Ob drohende Strafverfolgung aber vor der Offenlegungspflicht bewahrt, hat der Bundesgerichtshof mangels Entscheidungsrelevanz nicht entschieden, aber ausdrücklich offen gelassen. Das geht denkbar weit. Im konkreten Fall war der BGH zum Schluss gekommen, dass das Vorstandsmitglied eine Pflichtverletzung begangen hat, die zu einem Schaden der Gesellschaft geführt hat.
Haftung von Aufsichtsräten
Welche Pflichten hat ein Aufsichtsrat? Welche Haftung kann hieraus resultieren? Diesen Fragen sind wir nachgegangen und haben hier aus Sicht eines Aufsichtsrats (persönliche Perspektive) auch Optionen zur Absicherung via den verschiedenen D&O-Optionen aufgezeigt.
Schadensersatzansprüche einer zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung nicht börsennotieren AG gegen einen Vorstand verjähren in fünf Jahren ab Pflichtverletzung. Erfülle das Vorstandsmitglied bis zu diesem Zeitpunkt den Schadensersatzanspruch nicht und berufe sich anschließend auf Verjährung, ist der AG der Schaden entstanden. Das löst dann eine eigene Schadensersatzverpflichtung des Aufsichtsrats aus, die einer eigenen Verjährungsfrist unterliegt. Das waren noch einmal fünf Jahre. Mit der Zusammenschau der Verjährungen von Schadensersatzansprüchen gegen Vorstand und Aufsichtsrat kommt die Rechtsprechung also dazu, über Sachverhalte zu urteilen, die fast zehn Jahre zurück liegen.
Achtung: Aktienrechtliches Haftungsregime bei Schweigen der Satzung
Weit verbreitet ist der Irrtum, dass sich die Haftung eines Beiratsmitglieds erheblich von der eines Aufsichtsrates einer Aktiengesellschaft unterscheide. Dies trifft in der Praxis häufig nicht zu, denn § 52 Abs. 1 GmbHG bestimmt ausdrücklich, dass das aktienrechtliche Pflichten- und Haftungsregime anzuwenden ist, soweit die Satzung der GmbH keine anderweitigen Regelungen vorsieht. Fundamentale aktienrechtliche Regelungen werden somit auch zur Bewertung kommunaler Beiräte herangezogen, ohne dass neue Mandatsträger für die Folgen des § 52 GmbHG sensibilisiert werden. Gerade an diesem wichtigen Punkt schweigt die Satzung oft.
Die oben skizzierte Haftung des Aufsichtsrats für die Nichtverfolgung von Schadensersatzansprüchen gilt daher grundsätzlich auch für Beiräte von GmbH. Allerdings gibt es hier Besonderheiten, denen wir in weiteren Veröffentlichungen Rechnung tragen werden.
Nachfolgend soll auf einen anderen Kernaspekt von Aufsichtsratstätigkeit eingegangen werden: die Verschwiegenheitspflicht. Gerade diese ist für Beiräte von kommunalen GmbH ganz besonderes relevant.
Verschwiegenheitspflicht – hohes Haftungspotential für kommunale Aufsichtsräte
Nach § 116 AktG sind Aufsichtsräte zu besonderer Sorgfalt und ausdrücklich zur Verschwiegenheit verpflichtet.
Entgegen der Ansicht vieler Ratsmitglieder in Kreisen und Gemeinden - die dies im Interesse der Transparenz als Volksvertreter tun - ist es ihnen damit strengstens untersagt, über Beschlüsse und Ereignisse, die sie im Rahmen ihrer Beiratstätigkeit erfahren, in einer Ratssitzung der Gemeinde oder des Kreises zu berichten. Bei Zuwiderhandlung drohen neben Schadenersatz unter Einsatz privater Mittel im schlimmsten Fall auch Freiheitsstrafen.
Auf Bestimmungen der Gemeindeordnungen, die die Verschwiegenheitspflichten lockern könnten, können sich die Beiräte nicht berufen, da das GmbH- und Aktienrecht als Bundesrecht gemäß Artikel 31 des Grundgesetzes grundsätzlich Vorrang hat.
Auch Freistellungsbestimmungen schützen aufgrund der hohen Anwendungs- und Wirksamkeitsvoraussetzungen nicht ohne Weiteres. Zum einen haben diese ganz eigene, zum Teil recht hohe Anwendungshürden, die sich dann im Haftungsfall als Hindernis offenbaren. Zum anderen gilt es zunächst die Haftungsfrage zumindest dem Grunde nach zu klären, bevor bewertet werden kann, wovon genau die Gebietskörperschaft freistellen soll. Nichts anderes gilt im Übrigen auch für nichtöffentliche Ratssitzungen, was einigen Aufsichtsräten erst im Haftungsfall bewusst wird.
Lösung: Den Dienstweg beschreiten
Gemäß Aktienrecht gelten nur wenige Ausnahmen hinsichtlich der Verschwiegenheitspflicht:
- Entsendung oder Wahl in den Aufsichtsrat durch die Gebietskörperschaft,
- Kenntnis der Umstände ist für die Zwecke der Berichterstattung an die Gebietskörperschaft erforderlich,
- oder nähere Ausgestaltung durch die Satzung, die den Aufsichtsrat verpflichten zu berichten.
Dies jedoch an die zuständigen Stelle im Rathaus - also die Verwaltung - die gleichfalls zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. Fazit: im dienstlichen Verkehr dürfen/müssen unter Umständen vertrauliche Mitteilungen gemacht werden, jedoch nur an die verantwortlichen Stellen und nicht in Rats- und Gemeindesitzungen.
Klare Festlegung zur Verschwiegenheitspflicht in der Satzung vermeidet Haftung
Beiräte sind immer gut beraten, die Satzung der GmbH genau zu erfassen. Was klar in der Satzung geregelt ist, verhindert Unsicherheiten für die Mitglieder des Aufsichtsrats. Da aber an der oben beschriebenen Stelle gerade das Schweigen der Satzung besondere Haftungsgefahren mit sich bringt, können Beiratsmitglieder auch proaktiv auf eine Satzungsänderung hinwirken, und sei eine solche auch nur deklaratorisch. Besonders zum Thema Haftung (und deren Vermeidung) sind eindeutige Regelungen von Vorteil. Sofern Wert auf die Verschwiegenheitspflicht gelegt wird, schadet es nicht, diese auch schriftlich zu fixieren. Soweit die Gesellschafter aus wohlüberlegten Gründen ein geringes Interesse an der Einhaltung der Vertraulichkeit haben, kann dies entsprechend in die Satzung abgeschwächt und kodifiziert werden.
Absicherung kommunaler Aufsichtsräte in 2020
Leider kann weder ein Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft noch ein Beirat einer kommunalen Gesellschaft durch juristische Instrumente allein sein privates Haftungsrisiko vollständig eliminieren. Entsprechend ist auch das Thema „D&O-Versicherung“ für kommunale Aufsichtsräte von hoher Bedeutung, wenn es nach einer Inanspruchnahme zur privaten Haftung kommt.
Während schätzungsweise 95% bis 98% der kommunalen Aufsichtsräte/Beiräte kaum oder nur unzureichend gemeinsam mit den Geschäftsführern in einer sogenannten D&O-Versicherung abgesichert sind, haben sich in den letzten fünf Jahren spezielle D&O-Versicherungskonzepte für Aufsichtsräte am Markt etabliert. Es liegt häufig in der Natur der Sache, dass gerade die Aufsichtsräte die Haftungsansprüche gegenüber Geschäftsleitern verfolgen müssen, um nicht selbst für den Schaden aus der erkannten Pflichtverletzung des Geschäftsführers zu haften. In der Schadenpraxis hat sich ein eklatanter Nachteil zu Lasten von Aufsichtsräten gezeigt, nämlich die Schwierigkeit für den D&O-Versicherer zugleich die Abwehr der Geschäftsführung zu organisieren (zu der taktisch ggf. auch die Streitverkündigung gegenüber dem Aufsichtsrat gehört) und auf der anderen Seite die Interessen des Aufsichtsrats dann wiederum gleichberechtigt im selben Schadenfall zu vertreten.
Der Interessenskonflikt ist dann vorprogrammiert. Hier empfiehlt es sich, eine separate Aufsichtsrats-D&O-Versicherung vorzuhalten und diese bei einem anderen Versicherer abzuschließen. Neben der Vermeidung eines Interessenskonfliktes kann der Aufsichtsrat zudem sichergehen, dass im Schadenfall nicht aufgrund einer reservierten, verbrauchten Versicherungssumme doch wieder persönlich einzustehen ist, da der Versicherer die Deckungssumme bereits für die Abwehr der Ansprüche gegen die Geschäftsführung verbraucht haben könnte.
Lässt sich hierfür kein Konsens finden, so ist eine sogenannte Persönliche D&O-Versicherung in jedem Fall zu prüfen und häufig auch ratsam, auch wenn dies bedeutet, eine im Vergleich zur häufig geringen Aufsichtsratsvergütung nicht unerhebliche Versicherungsprämie privat tragen zu müssen. Auch bei der Persönlichen D&O-Versicherung sollte unbedingt darauf geachtet werden, einen anderen Versicherer als den der Unternehmens-D&O der GmbH zu wählen.
Neben dieser Schicksalsgemeinschaft im Schadenfall sollten Aufsichtsräte, deren Gesellschaften dem Deutschen Public Corporate Governance-Kodex unterliegen bzw. bei denen die GmbH sich hieran orientiert, auch eine mögliche Klausel zum Selbstbehalt kritisch prüfen. In der am 07.01.2020 erschienen und nun zur Diskussion stehenden Musterversion ist neben einer Dokumentations- und Zustimmungspflicht auch ein privat zu tragender Selbstbehalt in Höhe von 10% des Schadens vorgesehen. Entschärfend wirkt jedoch für viele Aufsichtsräte sicherlich die vorgeschlagene Obergrenze von 25% der jährlichen Vergütung. Wird eine nur geringe oder gar keine Aufsichtsratsvergütung gezahlt, kann auch ein geringerer Selbstbehalt vereinbart oder darauf verzichtet werden. Allein aus diesem Grund wird daher voraussichtlich nur ein kleiner Teil der Aufsichtsräte eine Persönliche D&O-Versicherung abschließen.
Fazit:
Mit der Kenntnis steigender Inanspruchnahmen auch im kommunalen Sektor sollte dieser Artikel einen Beitrag zur Sensibilisierung kommunaler Aufsichtsräte bzw. Beiräte leisten. Unwissentlich gehen gerade im kommunalen Sektor Aufsichtsräte durch die ihnen übertragenden Überwachungs- und Kontroll- sowie Verschwiegenheitspflichten erhebliche Risiken ein, die sich zu weiten Teilen auf das Aktienrecht stützen. Es ist daher unbedingt anzuraten, sich nicht sowohl von dem umgangssprachlich verwendeten Begriff Beirat als auch von den vergleichsweise wenigen öffentlich bekannt werdenden Inanspruchnahmen in einer falschen Sicherheit zu wiegen, denn diese werden fast ausnahmslos mit Stillschweigen hinter verschlossenen Türen verhandelt und verglichen. Wie im Artikel aufgezeigt, sollten Aufsichtsräte vor Mandatsübernahme die Beratung von spezialisierten Gesellschaftsrechtlern nutzen, um ihre Risiken besser zu verstehen und ggf. sogar durch eine Anpassung der Satzung zu verringern. Gleichzeitig, und dies zeigen die Entwicklungen im D&O-Markt sowie die Thematisierung in der neuesten Musterauflage im Deutschen Public Corporate Governance-Kodex, sollte auch das Vorhandensein einer speziellen Aufsichtsrat-D&O eingefordert werden, um im Ernstfall auf funktionierenden Versicherungsschutz zurückgreifen zu können. Zudem sollten kommunale Aufsichtsräte angehalten sein, die kommenden Entwicklungen rund um den Musterkodex und die Relevanz für das eigene Mandat zu verfolgen, um frühzeitig auf ggf. denkbare Selbstbehalte reagieren zu können, denn auch hierfür hält der Markt Lösungen bereit.
Über Dr. Roland Haberstroh
Dr. Roland Haberstroh studierte Rechtswissenschaften an der Universität Tübingen und hält neben einem Doktortitel noch einen LL.M. von der Boston University. Als Partner der renommierten Wirtschaftskanzlei Menold Bezler ist er dort an den verschiedenen Schnittstellen des Gesellschaftsrechts tätig. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei die Haftung von Geschäftsleitern und Aufsichtsräten, sowie die damit zusammenhängende D&O-Versicherung. Einen Schwerpunkt bildet hierbei die Beratung von Unternehmen der Öffentlichen Hand.