Der Aufsichtsrat: seine Aufgaben und Pflichten sowie Rechte
Mit der Übernahme der verantwortungsvollen Aufgabe eines Aufsichtsrats sind erhebliche Pflichten verbunden, deren Verletzung bekanntlich zur persönlichen Haftung mit dem Privatvermögen des Aufsichtsrat führen kann. Vermehrt treten Konstellationen auf, in denen Aufsichtsräte für mangelnde Aufsicht des Vorstands in Haftung genommen werden. Der Abschluss einer Directors & Officers-Versicherung (D&O-Versicherung) kann eine finanzielle Absicherung für Aufsichtsräte schaffen, doch ist dieses aus dem angelsächsischen Raum stammende Versicherungsmodell nicht ohne weiteres auf das deutsche Aktienrecht anwendbar.
Durch die Komplexität des Sachverhaltes sind noch viele Fragen offen und die rechtswissenschaftliche Diskussion beschäftigt sich erst in jüngerer Zeit intensiver mit diesem Thema. Dass der Haftungsfall für dem Unternehmen entstandene Schaden relativ leicht eintreten kann, wird klar, wenn man sich die Pflichten eines Aufsichtsrats und die damit verbundenen Aufgaben bewusst macht.
Aufgabenspektrum des Aufsichtsrats
Die Hauptaufgabe des Gesamtaufsichtsrates und jedes einzelnen Aufsichtsratsmitgliedes ist die Überwachung des Vorstands zum Wohle des Unternehmens und seiner Gesellschafter. Außerdem bestellt der Aufsichtraz die Vorstandsmitglieder, legt ihre Vergütung fest und kann sie auch wieder abberufen. Der Aufsichtsrat kontrolliert die Maßnahmen und Entscheidungen des Vorstands auf Rechtmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit. Dieser vergangenheitsbezogenen Kontrolle steht eine auf die Zukunft gerichtete aktive Beratertätigkeit gegenüber, wenn es um die strategische Ausrichtung des Unternehmens geht.
Die konkreten Pflichten eines Aufsichtsrats
Als Erstes ist die Sorgfaltspflicht anzuführen, die ein Aufsichtsrat bei der Erledigung seiner Aufgaben anzuwenden hat und die in § 93 AktG explizit aufgeführt ist. Hierzu gehört auch, dass der Aufsichtsrat sich selbstständig die Wissensgrundlage erarbeitet, die nötig ist, um relevante Sachverhalte adäquat beurteilen zu können. Eine gesteigerte Sorgfaltspflicht besteht zudem für Aufsichtsräte, die besondere Funktionen und Pflichten innehaben. Dies können zum Beispiel Vorsitzende, Ausschussvorsitzende und Finanzexperten sein. Auch Personen, die wegen ihrer speziellen Sachkenntnisse in den Aufsichtsrat aufgenommen wurden, unterliegen der gesteigerten Sorgfaltspflicht. In einer wirtschaftlichen Krise bzw. bei unternehmerischen Entscheidungen von erheblicher Tragweite, wird die gesteigerte Sorgfalt für alle Aufsichtsratsmitglieder verpflichtend.
Neben einer Überwachungspflicht dem Vorstand gegenüber besteht für die Aufsichtsratsmitglieder auch eine Überwachungspflicht gegenüber eventuell vorhandenen Aufsichtsratsausschüssen, was einer doppelten Kontrolle von Leitungsentscheidungen gleichkommt.
Werden dem Aufsichtsrat bedeutende Berichte des Vorstands nicht oder nur unvollständig zu den vereinbarten Terminen vorgelegt, hat der Aufsichtsrat die Pflicht, diese Berichte einzufordern. Aus der Bringschuld des Vorstands wird in diesem Fall eine Holschuld des Aufsichtsrats. Diesem Sachverhalt kommt gerade in Zeiten der Krise, bei konkreten Verdachtsmomenten oder auch bei riskanten Geschäften des Unternehmens eine besondere Bedeutung zu. Gemäß Rechtsprechung kann dies so weit gehen, dass zum Beispiel bei Risikogeschäften vom Aufsichtsrat eine eigenständige Risikoanalyse vorgenommen werden muss, gegebenenfalls mithilfe externer Sachverständiger. Wird dies versäumt und entsteht ein Schaden, kann es ebenfalls zu Haftungsansprüchen gegen den Aufsichtsrat kommen.
Die Überwachungspflicht geht so weit, dass ein einzelner Aufsichtsrat bei Bedenken gegen einen Beschluss des Gesamtvorstandes verpflichtet ist, diese vorzubringen und bei einer Abstimmung gegen den Beschluss stimmen oder sich zumindest der Stimme enthalten muss.
Wie setzt sich ein Aufsichtsrat zusammen?
Grundsätzlich setzt sich der Aufsichtsrat aus Vertretern der Aktionäre zusammen. In einzelnen Fällen werden zudem Vertreter der Arbeitnehmer eingebunden und komplementieren den Aufsichtsrat. Im Regelfall werden die Vertreter der Aktionäre von der Hauptversammlung gewählt und berufen. Wie viele Mitglieder ein Aufsichtsrat haben muss, ist branchenabhängig sowie abhängig von der Größe des Unternehmens. Jedoch muss ein Aufsichtsrat mindestens 3 Mitglieder vorweisen und kann (abhängig von der Höhe des Grundkapitals) aus bis zu 21 Mitgliedern bestehen.
Wie viel verdient ein Aufsichtsrat?
Eine Regelung zur Vergütung von Aufsichtsratsmitgliedern ist in § 113 AktG festgelegt. Demnach kann ein Aufsichtsrat eine Vergütung für seine Tätigkeiten erhalten, sofern diese in der Satzung des jeweiligen Unternehmens festgelegt oder von der Hauptversammlung bewilligt wurde. Wichtig hierbei ist, dass die Vergütung des Aufsichtrats in einem angemessenen Verhältnis zu den anfallenden Tätigkeitsbereichen der Aufsichtsratsmitglieder steht.
Meist setzt sich die Vergütung eines Aufsichtsratsmitglieds aus einer fixen Grundvergütung sowie einer variablen Zulage zusammen. Es besteht demnach die Möglichkeit, den Aufsichtsratsmitgliedern einen Anteil am Jahresgewinn des Unternehmens zu gewähren.
Börsennotierte Unternehmen obliegen besonderen Regelungen, weshalb sie mindestens alle vier Jahre über die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder einen Beschluss fassen müssen.
Der Deutsche Corporate Governance Kodex bietet über die gesetzlichen Regelungen hinaus Empfehlungen und Anregungen bezüglich der Vergütung von Aufsichtsratsmitgliedern (Ziffer 5.4.6.). Eine dieser Empfehlungen lautet, dass bei einer zugesagten, erfolgsorientierten Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder diese auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung ausgerichtet sein soll. Der Fokus soll auf dem Erhalt des Unternehmens liegen, wobei Erfolgsparameter langfristig geplant und erreicht werden sollen. Eine weitere Empfehlung liegt in der Aufschlüsselung der Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder im Anhang bzw. im Lagebericht zwecks Transparenz für die Stakeholder.
Wie viel ein Aufsichtsrat generell verdient, lässt sich daher nur schwer pauschalisieren, da diese von Unternehmen zu Unternehmen (genau wie der wirtschaftliche Erfolg) unterschiedlich ausfallen. Jedoch lässt sich seit Jahren eine konstante Steigerung der fixen Vergütung von Aufsichtsräten in den Großkonzernen feststellen. Dies ist neben der bis zur Coronakrise sich gut entwickelnden Gesamtwirtschaftslage auch auf die gestiegenen Anforderungen an Aufsichtsräte und Aufsichtsrätinnen sowie gestiegene Haftung (siehe Wirecard) zurückzuführen. Diese Entwicklung der letzten Jahre hat gemäß dem jüngsten Board-Index des Beratungshauses Spencer Stuart an Dynamik verloren. In der aktuellen Studie, in der die Vergütung von Aufsichtsräten und Aufsichtsrätinnen (Anteil zum Glück steigend) in 68 Unternehmen untersucht wurde, kamen die Mitglieder nur noch auf ein leichtes Plus. So erhält im Jahr 2020 ein ordentliches Aufsichtsratsmitglied eine durchschnittliche Grundvergütung von 79.000 EUR – ein Zuwachs von 4,6 % im Vergleich zu 2018. Die durchschnittliche Grundvergütung für den/die Vorsitzende ist um 4,7 % auf 196.738 EUR gestiegen; bei dem oder die stellvertretenden Vorsitzenden ist jedoch ein leichter Rückgang um 0,6 % zu verzeichnen, von 126.674 EUR auf 125.890 €.
Bei den genannten Höhen ist jedoch darauf hinzuweisen, dass es sich bei den 68 Unternehmen (DAX, M-DAX, S-DAX und Tec-Dax) um Ausreißer nach oben handelt. In der Regel sind die Aufsichtsratsvergütungen deutlich geringer bzw. auf Unkosten beschränkt, wie wir häufig in unserer Beratungspraxis feststellen dürfen. Dies ist sicherlich im Kontext der zunehmenden Komplexität, der Bedeutung der Aufgabe und der Haftung kritisch zu sehen.
Haftung des Aufsichtsrats bei Pflichtverstoß?
Bei einer Verletzung seiner unter Punkt 3. aufgeführten Pflichten oder Nichterfüllung seiner Aufgaben kann für den Aufsichtsrat Haftung für dem Unternehmen entstandene Schaden entstehen. Eine Außenhaftung gegenüber Aktionären oder Gesellschaftsgläubigern ist in der Praxis allerdings sehr selten, da hier meist die Haftungsvoraussetzungen nicht greifen. Schadensersatzansprüche gegen Aufsichtsräte resultieren hauptsächlich aus der Innenhaftung, also der Haftung gegenüber der Gesellschaft. Die Prüfung und Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, die der Aufsichtsrat zu leisten hat, erfolgt durch den Vorstand, ausnahmsweise kann sie auch von der Hauptversammlung beschlossen werden.
Kommt es zum Haftungsfall, muss das Aufsichtsratsmitglied beweisen, dass es seine Pflichten nicht verletzt hat und deshalb zum Schadensersatz nicht herangezogen werden kann. Dies kann insbesondere für bereits ausgeschiedene Aufsichtsratsmitglieder schwierig werden, da sie keinen Zugriff mehr auf entlastende Unterlagen der Gesellschaft haben.
D&O-Versicherung für Aufsichtsräte: Entwicklungen
Um den unter Punkt 4. beschriebenen Schadensersatzansprüchen zu begegnen, ist es mittlerweile auch in Deutschland nicht nur bei börsennotierten Aktiengesellschaften weit verbreitet, das Risiko durch eine Directors & Officers-Versicherung (D&O) abzusichern. Dabei handelt es sich um eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung, die in der Regel von der Gesellschaft finanziert wird und ihre Manager, Aufsichtsratsmitglieder, leitenden Angestellten und viele weitere Personen vor persönlichen Schadensersatzansprüchen schützen soll. Allerdings geht es bei der Ausgestaltung um sehr komplexe Sachverhalte, die im deutschen Rechtssystem noch eine Vielzahl von Fragen aufwerfen. Bei Verletzung der Pflichten eines Aufsichtsrats ist es von erheblicher Bedeutung, ob die Versicherung des Aufsichtsrats unabhängig von der des Vorstands ausgestaltet ist, um etwaigen Interessenkonflikten des “Stellung beziehenden” Versicherers bei streitenden Lagern (Vorstand vs. Aufsichtsrat) vorzubeugen.
Um dies sicherzustellen, ergeben sich theoretisch drei Durchgangswege, wobei allen gemein ist, dass der Versicherer zu dem der Unternehmens-D&O (“Vorstand”) abweichen muss. Ziel hierbei ist es auf Seiten des Aufsichtsrats, einen D&O-Versicherer ohne jegliche Gefahr für einen Interessenskonflikt zu haben (“Schicksalsgemeinschaft”).
Hinsichtlich der Durchführung gibt es die Option eine “normale” Unternehmens-D&O mit einem auf den Aufsichtsrat beschränkten “Kreis der Versicherten Personen”. Der große Nachteil ist der geringe Prämiennachlass, der für den beschränkten Personenkreis von den Versicherern gegeben wird, sodass wir seitens MRH Trowe diese Option nicht nutzen.
MRH Trowe Supervisory Board Protect (TTTP)
Die zweite Option ist die von uns entwickelte MRH Trowe Supervisory Board Protect (TTTP). Diese Aufsichtsrat-D&O-Versicherung ist deutlich günstiger, weil hier die Versicherungsfälle sich auf jene beschränken, in denen Vorstand und Aufsichtsrat “gegeneinander schießen” (z.B. die Streitverkündung”). Während der Aufsichtsrat über die “normale” Unternehmens-D&O-Schutz genießt, wenn Aufsichtsrat und Vorstand gleichgerichtete Interessen haben. Die dritte und letzte Option ist die persönliche D&O-Versicherung. Hier schließt der Aufsichtsrat für sich privat eine vollumfängliche D&O-Versicherung ab.
Autor: Björn Stressenreuter