Geschäftsführerpflichten und Haftung in der Krise – Schutzmaßnahmen und Risikomanagement
Im Folgenden fassen wir Ihnen bündig das Webinar zusammen. Für Details nutzen Sie die Aufzeichnung des Webinars oder sprechen die Kollegen von SMP für rechtliche Fragen oder uns für Fragen zum Risikotransfer gerne an. Um für Sie die Navigation zu den vertiefenden Stellen im Webinar einfacher zu gestalten, finden Sie begleitend die entsprechenden Webinarstellen verlinkt.
Zur besseren Lesbarkeit wird im Folgenden ausschließlich der Begriff Geschäftsleiter verwendet. Unter diesem Begriff werden der GmbH-Geschäftsführer oder die Vorständin einer Aktiengesellschaft subsummiert. Weniger steht die Haftung eines Beirats oder Aufsichtrats im Fokus, hierzu bieten wir zeitnah ein vergleichbares Format an.
1. Einführung und Grundlagen der Geschäftsleiterhaftung
In der Praxis betrifft das Thema Geschäftsleiterhaftung die Haftung nach innen gegenüber der Gesellschaft (Innenhaftung), seltener die Haftung gegenüber Dritten (Außenhaftung). Hier haftet grundsätzlich die Gesellschaft. Der Geschäftsleiter haftet lediglich für unerlaubte Handlungen wie beispielsweise eine Täuschung, die im Amt begangen wurde. Aufgrund der exponierten Bedeutung der Innenhaftung wird diese im Webinar intensiver behandelt.
1.1. Geschäftsleiterpflichten gegenüber der Gesellschaft
Geschäftsleiter sind für das Vermögen der Gesellschaft verantwortlich. Um Haftungssituation zu vermeiden, müssen die drei folgenden übergreifenden Geschäftsführerpflichten erfüllt werden:
- Allgemeine Sorgfaltspflicht
- Loyalitätspflicht
- Legalitätspflicht (Compliance)
In einem Satz obliegt dem Geschäftsleiter also die Pflicht die Vermögensinteressen der Gesellschaft sorgfältig zu verfolgen, seine eigenen Interessen zurückstellen und geltende Gesetze zu beachten. Er haftet für Schäden, die durch eine schuldhafte Verletzung der Organpflichten entstehen auch mit seinem Privatvermögen. Im Schadensfall muss der Geschäftsleiter beweisen, dass er sich pflichtgemäß verhalten hat (Beweislastumkehr). Exemplarisch wird im Webinar das Beispiel eines Insolvenzverwalters aufgeführt, der einen Anspruch erheben kann, für den sich der in Anspruch genommene Geschäftsleiter dann entlasten muss.
Resümierend wird im Webinar festgehalten, dass die Geschäftsleiterhaftung in Deutschland sehr streng ist. Ein gewisser Schutzrahmen gilt für unternehmerische Handlungen (Sorgfaltspflicht), deren Konsequenzen nicht vorausschaubar sind. Hierzu werden Beispiele im Webinar zur Verfügung gestellt.
1.2 Wie ist die Haftung im Falle mehrerer Geschäftsleiter geregelt?
Generell haftet jeder Geschäftsleiter nur für eigene Pflichtverletzungen. Es gilt jedoch der Grundsatz der Gesamtverantwortung. Jeder Geschäftsleiter muss seine Informations-, Kontroll- und Überwachungsfunktion hinsichtlich der Entscheidungen der anderen Geschäftsleiter wahrnehmen. Ist also im Falle einer Pflichtverletzung nicht feststellbar, welches Mitglied der Geschäftsleitung für die Pflichtverletzung verantwortlich ist, so haftet jeder Geschäftsleiter für den Gesamtschaden gesamtschuldnerisch.
Ist eine Ressortzuständigkeit gegeben, haftet der Gesellschafter für sein eigenes Ressort. Auch in diesem Fall bleibt die Informations-, Kontroll- und Überwachungspflicht der anderen Geschäftsleiter bestehen.
Es ist empfehlenswert, die Ressortverteilung schriftlich zu fixieren. Unabhängig davon haften alle Geschäftsleiter für grundsätzliche Entscheidungen (z.B. die Insolvenzantragspflicht) - ohne Rücksicht auf eine Ressortverteilung.
Um eine Praktikabilität auch für größere Organisationen zu gewährleisten, dürfen Geschäftsleiter Sachfunktionen delegieren bzw. auslagern. Die Auswahl, Einweisung, Information und Überwachung der Mitarbeiter/Organisationen muss dabei jedoch sicherstellen, dass diese pflichtgemäß agieren, da auch hierfür der Geschäftsleiter ansonsten haftet.
1.3. Einordnung Compliance in den Pflichtenkreis
Während bei der Sorgfaltspflicht ein Ermessensspielraum für unternehmerische Handlungen (Business Judgement Rule) besteht, ist dies bei der Loyalitäts- und Legalitätspflicht nicht der Fall. Der Geschäftsleiter muss seine eigenen Interessen zurückstellen und sich an geltendes Recht halten sowie sicherstellen, dass innerhalb des Unternehmens Recht und Gesetz beachtet werden. Dieser Sachverhalt findet sich häufig unter dem Begriff Compliance in der Wirtschaftspresse wieder. Im Rahmen einer Compliance-Governance werden Strukturen geschaffen, die ein regelkonformes Agieren der Geschäftsleitung und des Unternehmens sicherstellen. Damit sinkt das Risiko für Fehlverhalten zu haften.
Zum Abschluss des Kapitels "Grundlagen der Geschäftsleiterhaftung" werden auf sechs Möglichkeiten der Haftungsreduzierung hingewiesen, wobei auf Unterschiede z.B. in der Aktiengesellschaft sowie Gesellschaft mit beschränkter Haftung eingegangen wird. Die sechs vorgestellten Möglichkeiten sind:
- Haftungsbegrenzende Regelungen in der Satzung
- Haftungsbegrenzende Regelungen im Anstellungsvertrag
- Entlastung oder Verzicht durch Gesellschafterversammlung
- Legitimierung der Entscheidungen durch alle Gesellschafter
- Sorgsame Dokumentation
- Abschluss u.a. einer D&O-Versicherung
2. Herausforderung Unternehmenskrise
In einer Krise gewinnt das Thema Geschäftsleiterhaftung an Brisanz. Das Spektrum der Pflichten wird erheblich erweitert und konkretisiert. Es gelten verschiedene Gesetze, die beispielsweise die Verlustanzeigepflicht, Zahlungsverbote oder die Insolvenzantragspflicht betreffen. Im Zweifelsfall ist dem Geschäftsleiter dringend zu empfehlen einen unabhängigen Rechtsrat einzuholen. Das Webinar sensibilisiert im Folgenden für einige besondere Pflichten in einer Krisensituation und deren Konsequenzen sowie die sich daraus ergebende Haftung für die Geschäftsleitung. Aufgrund der exponierten Bedeutung wird die Insolvenzantragspflicht vertieft vorgestellt. Dem Zuhörer werden hierbei auch die Insolvenzgründe (Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung, drohende Zahlungsunfähigkeit) erklärt sowie die Bedeutung des Finanzplans in dieser Phase näher gebracht.
Zum Abschluss des Kapitels werden die von der Bundesregierung im Kontext der Covid 19-Krise erlassenen Änderungen des Insolvenzrechts (COVinsAG) vorgestellt. Kern der Gesetzgebung ist die Aufschiebung der Insolvenzantragspflicht bis zum 30.09.2020 [Stand 18.06.2020] für jene Unternehmen, die aufgrund der Covid 19-Krise der regulären Insolvenzantragspflicht unterliegen. Welche Kriterien hierfür angelegt werden, werden den Zuhörern ebenfalls vorgestellt.
3. Herausforderung COVID 19
Auch im Zusammenhang mit der besonderen Situation durch die COVID 19-Pandemie gelten die unternehmerischen Sorgfaltspflichten. Der Geschäftsleiter muss wirtschaftliche Risiken für das Geschäftsmodell sowie die Finanzierung laufend berücksichtigen. Das schließt ein sich über alternative Finanzierungsmöglichkeiten zu informieren und beispielsweise staatliche Unterstützungsmaßnahmen in die Überlegungen einzubeziehen.
Daneben muss der Geschäftsleiter für die Umsetzung von Arbeitsschutzmaßnahmen sorgen, um die Ausbreitung der Pandemie zu vermeiden. Darüber hinaus sollte das Compliance-System an die neue Situation angepasst werden. Da nahezu jede Entscheidungen im Zusammenhang mit der COVID 19-Pandemie unter erheblichen Unsicherheiten getroffen werden, ist eine detaillierte Dokumentation in diesen Fällen besonders wichtig, um spätere Haftungsansprüche abwehren zu können.
4. Handlungsempfehlungen in einer konkreten Krisensituation
In diesem Teil des Webinars wird erläutert, welche Handlungsempfehlungen Geschäftsleiter beachten sollten, wenn sich Krisenanzeichen verdichten. Es werden hierbei 20 goldene Regeln als Orientierung vorgestellt und vertieft:
- Handlungsoptionen ermitteln
- Entscheidungen und Optionen abwägen
- Unabhängigen Rechtsrat einholen
- Entscheidungen sorgfältig schriftlich dokumentieren
- Vorab Entscheidung der Gesellschafter einholen
- Leistungsstarke D&O-Versicherung abschließen
- Ressortzuständigkeit etablieren
- Anhaltspunkte für potenzielle Pflichtverletzungen verfolgen
- Null-Toleranz-Politik für Fehlverhalten in Organisation kommunizieren
- Pflichtbewusstsein vorleben und dokumentieren (Tone from the Top)
- Überwachung der kurzfristigen Finanzplanung
- Einstellung von Zahlungen nach festgestellter Insolvenz
- Erfüllung steuerlicher Pflichten
- Abführung der Arbeitnehmer-Beiträge zur Sozialversicherung
- Leitung der Zahlungseingänge auf kreditorisches Konto (§ 64 GmbH-Gesetz)
- Wenn keine Aussicht auf Rettung besteht, Antragsfrist nicht ausnutzen
- Dokumentation von Stundungs- und Finanzierungszusagen
- Informieren der Gesellschafter, wenn Stammkapital zur Hälfte aufgezehrt ist
- Insolvenz nicht als Drohung zur Erlangung von Vorteilen nutzen
- Beauftragung externer Berater mit Insolvenzprüfung
5. Risikotransfer in Zeiten von COVID 19
Im finalen Teil des Webinars wird auf wesentliche Versicherungsoptionen für die Geschäftsleiterhaftung eingegangen. Die D&O-Versicherung als wesentliches Element des Managerschutzes wird zunächst mit Blick auf das Marktumfeld thematisiert. Hierbei wird der Zuhörer sensibilisiert, dass die Covid 19-Krise auf einen Markt trifft, der bereits im Vorfeld stark unter Druck geraten war. Infolge war seit 2018 im Markt eine "Verhärtung" zu beobachten. Gekennzeichnet ist diese durch:
- Ausstieg von Versicherern (AXA XL am 1.7.2020),
- ein Rückgang an Kapazitäten,
- Ausschlüsse von Risiken (Dienstleistungs-, Cyber-, Insolvenzausschlüsse etc.),
- steigende Prämien,
- manche Branchen (z.B. Tourismus) und Wachstumsunternehmen mit VC-Investoren nicht/kaum noch versicherbar
Daraus ergibt sich für Geschäftsleiter die Notwendigkeit, den Risikotransfer ganzheitlicher zu gestalten. Mit Blick auf die private Haftung als Organ werden vier Handlungsfelder im Webinar vertieft:
- Vermeidung der Inanspruchnahme: Prävention und laufende anwaltliche Beratung in der Krise
- Schutz via sonstigen Firmenversicherungen: Vermeidung des Innenregresses. Prüfung anderer Versicherungsmärkte (Cyber-, M&A-Versicherungsmarkt etc.) für Risiken
- Schutz vor privat zu tragenden Anwalts- und Verfahrenskosten – sowohl zivil- als auch strafrechtlich
- Schutz vor dem Schadensersatz: Haftung mit dem Privatvermögen für einen entstandenen Schaden
Neben dem finanziellen Schadensersatzanspruch können Anwalts- und Verfahrenskosten schnell fünf, sechs- bis siebenstellige Summen annehmen und sollten daher ebenfalls bei jedem Schutzkonzept betrachtet werden. Vor dem Hintergrund der Covid 19-Krise hat insbesondere die Vermögensschaden-Rechtsschutzversicherung ("kleine D&O") an Bedeutung gewonnen. Wesentlicher Grund hierfür ist, dass diese Versicherung von Rechtsschutzversicherern angeboten wird, die zum Teil noch Risiken versichern können, die am D&O-Versicherungsmarkt keine Möglichkeit der Versicherbarkeit mehr haben.
6. Handlungsempfehlungen für Risikotransfer in Zeiten von Covid 19
Um in Zeiten der Covid 19-Krise den maximalen Risikotransfer zu ermöglichen, werden 8 konkrete Handlungsempfehlungen mit Blick auf den Schutz von Geschäftsleitern vorgestellt:
- Erstellung To-Do Liste und Freiraum für präventive Themen schaffen
- Achten Sie auf kompetente Beratung und fordern Sie "out-of-the-box"-Lösungen
- Nutzen Sie den Markt für Manager-Rechtsschutzversicherungen
- Ein künftiger Ausschluss kann rückwirkend Versicherungsschutz zerstören. Seien Sie sehr aufmerksam, wenn künftig Ausschlüsse in der D&O-Versicherung gefordert werden
- Ausschlüsse können häufig vermieden werden. Verstehen Sie die "Bauchschmerzen" der Versicherer und prüfen Sie Lösungen
- Seien Sie vorsichtig bei Zukunftsprognosen
- Eine Verringerung der Versicherungssumme kann Ihren Schutz erheblich reduzieren. Prüfen Sie andere Kapazitäten bei anderen D&O-Versicherern
- Beginnen Sie frühzeitig mit dem Dialog mit den Versicherern und schaffen Sie hierbei hilfreiche Transparenz
Dr. Tim Schlösser
Tim berät und vertritt Unternehmen, Private-Equity- und Venture-Capital-Fonds sowie Finanzinvestoren bei M&A-Transaktionen. Außerdem berät er zu sämtlichen Fragen rund um Gesellschafts- und Umwandlungsrecht, Kapitalmarktrecht und Corporate Compliance.
Der US-Verlag Best Lawyers® zählt Tim in seinem aktuellen Ranking in Kooperation mit dem Handelsblatt® zu den besten Anwälten in Deutschland für die Bereiche Capital Markets-, Corporate- und Mergers and Acquisitions Law.
Dr. Martin Schaper
Martin berät Finanzinvestoren und Unternehmen bei M&A- und Venture Capital-Transaktionen sowie sonstigen Fragen des Gesellschaftsrechts. Zu seinen Beratungsschwerpunkten gehören Unternehmensübernahmen, Joint Ventures sowie Unternehmensfinanzierungen im Technologiesektor, insbesondere in den Bereichen Health Tech/Life Science, FinTech, PropTech, Mobility und Legal Tech. Ein weiterer Fokus seiner Tätigkeit liegt auf der Errichtung von Europäischen Aktiengesellschaften (SE) sowie auf komplexen Unternehmensumstrukturierungen.
Der US-Verlag Best Lawyers® zählt Martin in seinem aktuellen Ranking in Kooperation mit dem Handelsblatt® zu den besten Anwälten in Deutschland für die Bereiche Mergers und Acquisitions Law.