Geschäftsführerhaftung 2024:
Aufgaben – Pflichten – Rechte - Haftung - Vermeidung



Lesezeit: 3-4 Minuten
Mehrwerte: D&O-Versicherung ist häufig der Eckpfeiler bei der Vermeidung der Haftung von Geschäftsführern und Geschäftsführerinnen. In Schadenfällen in unserem Hause zeigt sich jedoch häufig, dass eine Sensibilisierung und Kenntnis den Schaden ganz verhindern bzw. das Ausmaß hätte reduzieren können. Der renommierte Gesellschaftsrechtler und Partner der Wirtschaftskanzlei Hoffmann Liebs Andreas Hecker geht dankenswerterweise in der folgenden Abhandlungen auf die wichtigsten Themen ein. So werden nicht nur die Rechte und Pflichten von Geschäftsführern skizziert, sondern auch auf Vermeidungsstrategien eingegangen.

1. Vorwort Geschäftsführerhaftung

In Deutschland gibt es insgesamt mehr als eine Million Gesellschaften mit beschränkter Haftung bzw. GmbH und Unternehmergesellschaften (haftungsbeschränkt). Jede dieser Gesellschaften verfügt über mindestens einen Geschäftsführer.

So groß die Zahl der Unternehmen in der Rechtsform der GmbH ist, so unterschiedlich sind nicht nur die Branchen, sondern auch die Größe, der Gesellschafterkreis sowie die innere und äußere Organisation der Gesellschaften. Gerade hierbei zeichnet sich das GmbH-Gesetz durch seine große Flexibilität bei der Ausgestaltung und rechtlichen Organisation eines Unternehmens aus. Trotz des Gestaltungsspielraums bietet das GmbH-Gesetz zusammen mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung zugleich einen klaren Handlungsrahmen, in dem sich die Geschäftsführer bewegen können.

Nachstehend finden Sie einen Überblick über die Aufgaben, Pflichten, Rechte und Haftungsrisiken von Geschäftsführern.

2. Die GmbH und ihr Geschäftsführer

Um die Geschäftsführerhaftung nachvollziehbar zu verstehen, wird zunächst dargestellt, in welchem Zusammenhang die GmbH und der Geschäftsführer zueinanderstehen.

Anders als die AG handelt es sich bei der GmbH um eine juristische Person mit personalistischer Prägung.

Das bedeutet, dass u.a. der Gesellschafterkreis ein weitreichendes Weisungsrecht und ein korrespondierendes umfassendes Informationsrecht gegenüber der Geschäftsführung hat und die Gesellschafterstellung in der beim Handelsregister hinterlegten Gesellschafterliste für jedermann offengelegt ist. Die Flexibilität des GmbH-Rechts kommt u.a. darin zum Ausdruck, dass wesentliche Rahmenbedingungen im Verhältnis zwischen den Gesellschaftern, der Geschäftsführung und der Gesellschaft durch die Satzung festgelegt werden können. Diese kann – ebenso wie das GmbH-Gesetz selbst – eher kurzgefasst sein oder aber detailliert viele Einzelaspekte regeln, bis hin zur Schaffung zusätzlicher Organe neben der Gesellschafterversammlung und der Geschäftsführung. Das Aktienrecht bietet nicht diese weitreichenden Gestaltungsmöglichkeiten. Es legt die Organe und deren Rechte und Pflichten wesentlich starrer fest.

Geschäftsführerhaftung: Bild CEO

Beispiele für die Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb des GmbH-Rechts:

  • Umfang des Gesellschaftsvertrags (während es nach dem GmbHG nur wenige verpflichtende Inhalte des Gesellschaftsvertrags gibt, nämlich Firma, Sitz, Unternehmensgegenstand, Stammkapital/Einlagen sowie Geschäftsführung/Vertretung, stehen den Gesellschaftern zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung, durch entsprechende Satzungsregelungen den rechtlichen Rahmen für eine Gesellschaft auszugestalten, z.B. Geschäftsjahr, Bekanntmachungen der Gesellschaft, Übernahme der Gründungskosten, Regelungen zu Einziehung/Ausschluss/Abfindung, Veräußerungsbeschränkungen, Zustimmungsvorbehalte, zusätzliche Regelungen zur Organisation und Kompetenzverteilung der Geschäftsführung, der Gesellschafterversammlung oder weiterer Organe, Liquidation und Kündigung der Gesellschaft, Gewinnverteilung, Erbfall)
  • Es gibt eine freie Wahl und Kompetenzzuordnung von Organen (nicht nur die Anzahl der Organe neben Geschäftsführung und Gesellschaftern kann durch die Gesellschafterversammlung festgelegt werden (z.B. Aufsichtsrat, Beirat, Verwaltungsrat), sondern auch deren Verantwortlichkeiten (z.B. Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern, Ernennung von Prokuristen, Zustimmungspflichten und Weisungsrechte))
  • Die Handelbarkeit von Anteilen kann beschränkt werden (im Gesellschaftsvertrag kann festgelegt werden, welche Voraussetzungen für die Veräußerung von Geschäftsanteilen gilt, z.B. Zustimmungsrechte, Vorkaufsrechte, Mitveräußerungsrechte oder Mitveräußerungspflichten); auf diese Weise kann der Kreis der Gesellschafter klar umrissen und der Einstieg von neuer Gesellschafter entweder erschwert oder vereinfacht werden.

Die grundlegende Frage ist dementsprechend, wann haftet ein Geschäftsführer?

Für eine Haftungsvermeidung ist es selbstverständlich unabdingbar zu wissen wann ein Geschäftsführer überhaupt haftet.

Der Geschäftsführer ist das geschäftsführende und die Gesellschaft vertretende Organ bei einer GmbH und einer Unternehmergesellschaft haftungsbeschränkt. Über seine Stellung bei der jeweiligen Komplementär-GmbH gilt dies mittelbar auch für GmbH & Co. KG oder GmbH & Co. KGaA. Der bzw. die Geschäftsführer sind nach dem Gesetz sowohl für die Binnenorganisation der Gesellschaften als auch für deren Vertretung im allgemeinen Rechtsverkehr und/oder vor Gericht verantwortlich.

Die GmbH, aber auch die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) als Unterform der GmbH, ist eine sogenannte Kapitalgesellschaft. Sie hat eine eigene „Rechtspersönlichkeit“, ein eigenes Vermögen, kann Vertragspartner sein und verklagen bzw. verklagt werden. Grundsätzlich gilt das Mehrheitsprinzip bei Beschlussfassungen. Gesellschaftsanteile sind frei veräußerlich und vererblich.

Geschäftsführer sind bei ihrem Handeln einer Vielzahl von Haftungsrisiken ausgesetzt. Dies hängt unmittelbar mit den hohen Anforderungen an ihre Tätigkeit zusammen und damit, dass sich das Haftungsregime bei Geschäftsführern von demjenigen unterscheidet, welches für „normale“ Arbeitnehmer existiert.

2.1. Was sind die Aufgaben des Geschäftsführers?

Die Aufgaben und Tätigkeitsbereiche eines Geschäftsführers sind für die Einordnung der Haftung von Relevanz, weshalb diese nachfolgend näher dargestellt werden.

Die konkreten, täglichen Aufgaben der Geschäftsführer hängen von der jeweiligen Gesellschaft ab, für die Sie tätig sind. Jedoch lässt sich grundsätzlich das Handeln der Geschäftsführer in zwei Verantwortungsbereiche trennen, die Geschäftsführung und die Vertretung der Gesellschaft nach außen.

2.1.1. Relevante Aufgabenbereiche für die Innenhaftung eines Geschäftsführers

Mit der Geschäftsführung ist die innerorganisatorische Tätigkeit des bzw. der Geschäftsführer gemeint. Die Geschäftsführer organisieren und gestalten die Abläufe im Unternehmen. Hierbei ist es selbstverständlich, dass die Geschäftsführer nicht sämtliche Tätigkeiten selbst durchführen. Gerade in der Festlegung von (übergeordneten) Prozessschritten, Handlungsanweisungen, der Personalauswahl und dem Personaleinsatz ist jedoch die Geschäftsführungstätigkeit zu sehen. Hierzu gehört auch die Errichtung und Überwachung eines auf die Unternehmensgröße abgestimmten Compliance- bzw. Risikomanagementsystems. Bei wesentlichen Entscheidungen der Geschäftsführung kann es dabei erforderlich sein, die Zustimmung der Gesellschafterversammlung oder eines etwaigen Aufsichtsrates einzuholen.

Beispiele für Entscheidungen und Maßnahmen, die der Zustimmung der Gesellschafter oder eines Aufsichtsrats unterworfen sein können:

  • Erwerb oder Veräußerung von Immobilien
  • Begebung von Bürgschaften
  • Darlehensname bzw. Darlehensgewährung
  • Gesellschaftsrechtliche und umwandlungsrechtliche Maßnahmen bei einer Tochtergesellschaft
  • Festlegung der Geschäftsverteilung
  • Erwerb von Beteiligungen oder Unternehmen und die jeweilige Veräußerung
  • Errichtung und Schließung von Zweigniederlassungen
  • Verträge ab einem bestimmten Volumen oder ab einer jährlichen Leistungspflicht
  • Einstellungen in bestimmten Positionen oder ab einer bestimmten Jahresvergütung

2.1.2. Relevante Aufgabenbereiche für die Außenhaftung eines Geschäftsführers

Schadenhöhen Manager-Strafrechtsschutz // Versicherungssumme Managerstrafrechtsschutz

Neben der nach Innen gerichteten Geschäftsführung ist die organschaftliche Vertretung als die zweite wesentliche Säule der Geschäftsführungstätigkeit zu sehen. Jeder Geschäftsführer ist geborener Vertreter der Gesellschaft. Hierbei wird durch die Satzung und seine Bestellung festgelegt, ob er die Gesellschaft allein oder z.B. mit einem Mitgeschäftsführer oder Prokuristen vertreten darf. Nach außen kann die Vertretungsmacht des Geschäftsführers im Übrigen nicht beschränkt werden. Allerdings kann durch die Satzung, die Gesellschafter oder einen Aufsichtsrat im Innenverhältnis die Befugnis des Geschäftsführers eingeschränkt bzw. Zustimmungen unterworfen sein.

Beispiele für die Einschränkung des Handlungsrahmens von Geschäftsführern im Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer:

  • Zustimmungspflichtigkeit
  • Weisung der Gesellschafterversammlung
  • Gesamtverantwortung der Geschäftsführung und damit interner Abstimmungsbedarf
  • Zuordnung einzelner Geschäftsbereiche und Tätigkeiten auf einzelne Geschäftsführer (Geschäftsverteilung)
  • Vorgaben zum Handlungsspielraum und Verantwortungsbereich in einer Geschäftsordnung für die Geschäftsführung und/oder im Anstellungsvertrag

2.2. Welche Rechte und Pflichten hat ein Geschäftsführer?

Um zu einem fundierten Verständnis über die Haftung von Geschäftsführern zu gelangen, ist es für Geschäftsführer-/innen wichtig, zusätzlich zur Kenntnis der Aufgaben einen Überblick über die allgemeinen Rechte und Pflichten eines Geschäftsführers zu erhalten.

Die Rechte und Pflichten des Geschäftsführers ergeben sich aus dem Gesetz, dem Gesellschaftsvertrag, einer etwaigen Geschäftsordnung der Geschäftsführung, dem Anstellungsvertrag und den Weisungen der Gesellschafterversammlung.

Wesentliche Grundpflichten folgen hierbei unmittelbar aus dem Tätigkeitsbereich als geschäftsführendes und vertretendes Organ der Gesellschaft, z.B. die Geschäftsführung, Vertretung der Gesellschaft, Kapitalerhaltung, Buchführung, Berichts- und Informationspflicht gegenüber den Gesellschaftern einzelne Elemente des Pflichtenkreises der Geschäftsführer sind. Hinzu kommen übergeordnete Prinzipien, denen die Geschäftsführungstätigkeit unterworfen ist, wie  (i) die Legalitätspflicht, nach der ein gesetzestreues Verhalten bei der Amtsführung vorliegen soll, (ii) die Treuepflicht, wonach der Geschäftsführer der Gesellschaft gegenüber verpflichtet ist, und (iii) die allgemeine Sorgfaltspflicht des ordentlichen Geschäftsmannes.

Mit der Legalitätspflicht ist diejenige Verpflichtung der Geschäftsführer gemeint, sich an Recht und Gesetz zu halten. Dies betrifft unmittelbar ihr eigenes Handeln, aber auch ihre Verantwortung für die Geschicke der Gesellschaft. Gerade das aktuelle Thema Compliance knüpft unmittelbar an diese Pflicht der Geschäftsführer an, die es  - auch ohne entsprechende ausdrückliche gesetzliche Regelung – jederzeit zu beachten gilt.

Die Treuepflicht von Geschäftsführern kommt u.a. im Wettbewerbsverbot während der Amtszeit, der Schadensabwendungs- und Verschwiegenheitspflicht oder dem Verbot zum Ausdruck, Geschäftschancen der Gesellschaft für sich zu nutzen oder persönliche Vorteile zu Lasten der Ressourcen oder der Geschäftstätigkeit zu ziehen.

Die Sorgfaltspflicht stellt den allgemeinen Handlungsmaßstab für die Geschäftsführer dar. Sie sind laut Gesetz dazu verpflichtet, die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zu beachten und anzuwenden. An diesen Maßstab knüpft unmittelbar die Haftung gemäß § 43 GmbHG an. Es handelt sich hierbei um einen objektiven Sorgfaltsmaßstab, sodass weder der besonders pflichtbewusste Geschäftsführer benachteiligt noch der regelmäßig nachlässige Geschäftsführer bevorteilt werden könnte.

„Die Rechte und Pflichten des Geschäftsführers ergeben sich aus dem Gesetz, dem Gesellschaftsvertrag, einer etwaigen Geschäftsordnung der Geschäftsführung, dem Anstellungsvertrag und den Weisungen der Gesellschafterversammlung.“Andreas Hecker (Partner Hoffmann Liebs)

2.3. Welche Haftungsrisiken hat ein Geschäftsführer?

Aus oben dargelegten Fakten zur Geschäftsführerhaftung ergibt sich nun eine grundlegende Frage: Für welches Handeln / Unterlassen haftet ein Geschäftsführer konkret bei der Bewältigung seiner Aufgaben und der Erfüllung seiner Pflichten?

Zu unterscheiden ist hierbei zwischen der zivilrechtlichen Haftung, einer strafrechtlichen Haftung und einer Haftung aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften.

Neben den allgemeinen Haftungsnormen des Zivil- und Strafrechts sind von den Geschäftsführern auch zahlreiche Sondervorschriften zu beachten. Bereits das GmbHG enthält zum einen Sondervorschriften für die zivilrechtliche Haftung (§ 43 GmbHG, § 32 GmbHG, § 63 GmbHG) als auch ein „Sonderstrafrecht“ für Geschäftsführer (§§ 82 ff. GmbHG).

Grundlegende Haftungsnorm für einen Ersatzanspruch der Gesellschaft gegenüber dem Geschäftsführer ist § 43 GmbHG. Hiernach haften Geschäftsführer grundsätzlich schon für Schäden aufgrund fahrlässiger Pflichtverletzungen. Für eine solche Pflichtverletzung ist stets das Handeln bzw. Unterlassen des einzelnen Geschäftsführers maßgeblich. Hierbei ist prozessual zu beachten, dass die Gesellschaft gegenüber dem Geschäftsführer im Prozess lediglich den Schaden der Gesellschaft, der durch eine Handlung bzw. ein Unterlassen des Geschäftsführers hervorgerufen wurde, zu beweisen hat. Der Geschäftsführer ist demgegenüber beweislastpflichtig, dass er bei seinem Handeln pflichtgemäß gehandelt bzw. keine Pflichtverletzung begangen hat.

Haftung bei Eigenverwaltung

Am 26.04.2018 hat der Bundesgerichtshof ein vielbeachtetes Urteil zur Haftung von Geschäftsführern in der Eigenverwaltung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens gesprochen. Die Folgen für die Geschäftsführerhaftung schildert Dr. Volker Hees, Partner der renommierten Kanzlei Hoffmann Liebs.

Zum Artikel

Beispiele für Haftungsrisiken von Geschäftsführern:

  • Zivilrechtliche Haftung wegen unzureichender Compliance Organisation (Neubürger Rechtsprechung)
  • Zivilrechtliche Haftung gegenüber der Gesellschaft für Bußgelder, die gegenüber der Gesellschaft verhängt wurden
  • Zivilrechtliche Haftung bei nicht aufklärbaren Fehlbeständen (Haftung wegen Organisationsverschulden)
  • Zivilrechtliche Haftung bei eigenständiger Vertrags- oder AGB-Gestaltung ohne Heranziehung von Beratung (wenn sich Vertragswerke als fehlerhaft herausstellen und hieraus der Gesellschaft ein Schaden entsteht)
  • Zivilrechtliche und strafrechtliche Haftung wegen der Annahme persönlicher Vorteile
  • Zivilrechtliche Haftung wegen potentieller Erwerbschancen, die der Geschäftsführer zum eigenen Vorteil ausnutzt
  • Zivilrechtliche Haftung für Zahlungen nach Insolvenzreife
  • Zivilrechtliche Haftung bei Schäden aus der Bestellung von Waren auf Kredit von Neukunden ohne Prüfung der Kreditwürdigkeit des Geschäftspartners
  • Zivilrechtliche Haftung bei Schäden der Gesellschaft, weil keine Überprüfung bestehender Forderungen auf Verjährungsrisiken erfolgt ist
  • Zivilrechtliche Haftung, weil es der Geschäftsführer unterlassen hat Auflagen (z.B. Brandschutzauflagen) nachzukommen und es hierdurch zur Betriebsstillegung und Ertragseinbußen kam
  • Unmittelbare Haftung gegenüber Dritten, z.B. wegen Verstößen gegen das UWG
  • Strafrechtliche Haftung, z.B. wegen Untreue, Insolvenzstraftaten, Verletzung der Geheimhaltungspflicht, Verletzung der Verlustanzeigepflicht, Falschen Angaben

2.4 Wie kann ich als Geschäftsführer eine Haftung vermeiden?

Aufgrund der Haftungssystematik ist es für Geschäftsführer von wesentlicher Bedeutung, sich mit dem Thema Haftungsvermeidung auseinanderzusetzen. Dies sollte von Beginn an geschehen und nicht erst wenn die Gesellschaft in eine Schieflage gerät oder es gar zu einem Insolvenzverfahren kommt. Wie kann das Risiko einer Inanspruchnahme von mir zielgerichtet und rechtssicher reduziert werden? Welche Gestaltungsmöglichkeiten habe ich bei der täglichen Arbeit und welche bei der Ausgestaltung von Verträgen?

Bei allen Strategien und Maßnahmen zur Haftungsvermeidung gibt es einige grundsätzliche Prinzipien zu beachten:

  1. Business Judgement Rule

Bei der Business Judgement Rule handelt es sich um ein Haftungskonzept, welches im Aktienrecht gesetzlich verankert ist, aber nach entsprechender Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch auf die Geschäftsführung durch GmbH-Geschäftsführer anzuwenden ist.

Hiernach stellt das Handeln des Geschäftsführers dann keine Pflichtverletzung dar, wenn der Geschäftsführer bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.

Auf den tatsächlichen Erfolg des Geschäfts oder der durchgeführten Maßnahme kommt es hingegen nicht an. Dies bedeutet für den einzelnen Geschäftsführer, dass auch das Scheitern eines Projekts oder einer Maßnahme nicht unweigerlich zur Haftung führt. Wesentlich ist, dass der Geschäftsführer vor einem entsprechenden Geschäft sich im angemessenen Maße mit den Risiken befassen und diese abwägen muss. Es findet eine sogenannte ex ante Betrachtung (vor der Durchführung der Maßnahme) statt. Je risikobehafteter eine Maßnahme ist, desto intensiver muss er Geschäftsführer bzw. die Gesamtgeschäftsführung die Faktenlage prüfen und die Argumente für die Umsetzung abwägen.

  1. Horizontale Delegation / Geschäfts- bzw. Ressortverteilung

Ein Grundsatz des GmbH-Rechts ist die Gesamtverantwortung der Geschäftsführer. Soweit nicht anders geregelt, sind damit die Geschäftsführer für sämtliche Geschäftsführungsfragen gemeinsam verantwortlich. Dies entspricht jedoch regelmäßig nicht der von den Gesellschaftern und Geschäftsführern gewollten Situation, da hinter der mehrköpfigen Geschäftsführung regelmäßig die Absicht der Aufgaben- und Verantwortungsteilung und die Nutzung unterschiedlicher Expertisen, z.B. für Vertrieb, Finanzen oder Produktion und Technik steht. Hier hilft eine ordnungsmäßige Geschäftsverteilung. Mit der Weltruf-Entscheidung hat der BGH im Jahr 2018 noch einmal festgehalten, welche Eckpunkte für eine solche Geschäftsverteilung zu beachten sind.

Folgende vier Punkte erachtet der BGH für wesentlich:

  1. eine klare und eindeutige Abgrenzung der Geschäftsführungsaufgaben,
  2. eine von allen Mitgliedern des Geschäftsführungsorgans mitgetragene Aufgabenzuweisung,
  3. die vollständige Wahrnehmung der Geschäftsführungsaufgaben durch fachlich und persönlich geeignete Geschäftsführer und
  4. die Zuständigkeit des Gesamtorgans für nicht delegierbare Angelegenheiten.

Zum Nachweis sollte eine Geschäftsverteilung stets verschriftlicht werden. Regelmäßig wird die Geschäftsverteilung auch nicht von den Geschäftsführern selbst, sondern von den Gesellschaftern erlassen oder jedenfalls mit deren Zustimmung beschlossen.

Auf diese Weise kann das Haftungsrisiko des einzelnen auf seinen Bereich und die übergeordneten Maßnahmen der Gesamtgeschäftsführung reduziert werden. Für die Bereiche der anderen Geschäftsführer verbleibt lediglich eine Restverantwortung.

  1. Vertikale Delegation

Neben der horizontalen Delegation führt auch die vertikale Aufgabendelegation zu einer Minimierung des Haftungsrisikos und zu einer Prozessvereinfachung. Der Geschäftsführer ist bei einer entsprechenden Organisation zunächst für die unmittelbar nachgeordneten Personal- und Funktionsebenen zuständig. Der Geschäftsführer muss diese Mitarbeiter

  • (i) auswählen,
  • (ii) anweisen,
  • (iii) kontrollieren/überwachen und
  • umgekehrt eine Berichtspflicht schaffen.

Darunter liegende Hierarchieebenen sind in gleichem Maße von der jeweils darüber liegenden Hierarchieebene zu überwachen und einzusetzen. Hierfür hat der Geschäftsführer bei einer ordnungsmäßigen Wahrnehmung seiner Aufgaben gegenüber den ersten Ebenen wiederum nur eine Restverantwortung.

  1. Weisungen

Die Geschäftsführer sind weisungsgebunden (§ 47 Abs. 1 GmbHG). Dieses Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung besteht grundsätzlich zu jeder Zeit, für jeden Sachverhalt und ohne Begründungszwang. Folge einer zulässigen Weisung, die nicht gegen Gesetz oder Satzung verstößt, ist eine Haftungsbefreiung des Geschäftsführers für sein Handeln gegenüber der Gesellschaft. Setzt der Geschäftsführer eine zulässige Weisung um, kann er hierfür nicht zugleich von der Gesellschaft in Anspruch genommen werden.

  1. Entlastung / Generalbereinigung

Die jährliche Entlastung der Geschäftsführer hat im GmbH-Recht – anders als im Aktienrecht – nicht nur eine anerkennende Funktion, sondern unmittelbare rechtliche Relevanz für die Haftung der Geschäftsführer. Mit Erteilung der Entlastung können Geschäftsführer für Pflichtverletzungen, die aus den vorgelegten (Jahresabschluss-)Unterlagen hervorgehen oder zu denen berichtet wurde, grundsätzlich nicht mehr in Anspruch genommen werden. So wird die jährliche Entlastung zu einem wesentlichen Baustein zur Minimierung des Haftungsrisikos für Geschäftsführer.

Die Generalbereinigung geht noch über die Entlastung hinaus. Sie wird im Ausnahmefall – z.B. bei Beendigung der Geschäftsführertätigkeit – gewährt und stellt einen umfassenden Verzicht auf eine Inanspruchnahme dar. Zuständig für die Entlastung und die Generalbereinigung ist die Gesellschafterversammlung.

  1. Freistellung

Während die Entlastung die Ansprüche betrifft, die der Gesellschaft zustehen, erfassen Freistellungen mögliche Inanspruchnahmen von Dritten. So kann die Gesellschaft durch Beschluss der Gesellschafter einen Geschäftsführer vor einer Inanspruchnahme von Dritten schützen. Hierfür ist eine ausdrückliche Vereinbarung bzw. eine ausdrückliche Beschlusslage erforderlich. Sie kann z.B. dann sinnvoll und geboten sein, wenn der Geschäftsführer mit ausdrücklichem Wissen und Willen der Gesellschafter gehandelt hat und eine Inanspruchnahme durch einen Dritten droht.

7. D&O Versicherung

Die vorstehenden Punkte werden durch den Abschluss von D&O Versicherungen ergänzt bzw. abgerundet. Es handelt sich hierbei um eine (Berufs-)Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden. Sie deckt sowohl Geschäftsführerhaftung aus dem operativen Geschäft als auch strategische Entscheidungen ab und erfasst insbesondere auch Anwalts- und Gerichtskosten.

Üblich ist heute eine D&O-Versicherung, die von der Gesellschaft abgeschlossen wird; eine sogenannte Unternehmens-D&O Versicherung. Jedoch ist es auch möglich, als Geschäftsführer selbst eine solche Versicherung abzuschließen, hier spricht man von der Persönlichen D&O-Versicherung. Die Persönliche D&O Versicherung wird häufig auch ergänzend zur Unternehmensdeckung abgeschlossen.

Sowohl beim Abschluss einer solchen Versicherung durch die Gesellschaft als auch bei einer privaten Versicherung sind vorab die Eckdaten, z.B. zur Deckungssumme und zum Umfang des Versicherungsschutzes und den Pflichten des Versicherten festzulegen. In diesem Zusammenhang ist es auch sinnvoll, der Versicherung dazulegen, wie gut man bereits beim Thema Haftung und Compliance organisiert und aufgestellt ist; insbesondere wenn höhere Deckungssummen abgesichert werden sollen.

Falls es trotz alledem zu einer Geschäftsführerhaftung kommen sollte, ist es interessant zu wissen wie lange ein Geschäftsführer für etwas haftbar ist. Hierfür verweisen wir gerne auf den Artikel zur „GmbH Nachhaftung“.

3. Wie wirkt sich Covid-19 auf die Geschäftsführerhaftung aus?

In Anbetracht auf der Covid-19 Pandemie, gilt es vielerlei Auswirkungen auf Unternehmen und deren Geschäftsführungen zu berücksichtigen. Die Pandemie wirft viele Fragen auf, auch in Bezug auf die Geschäftsführer, deren Haftung und mögliche, bevorstehende Insolvenzverfahren.

Zunächst einmal sind hier die erheblichen wirtschaftlichen Folgen der Pandemie und des „Lockdown“ zu beachten, die je nach Branche und Tätigkeitsbereich bis zur Existenzgefährdung oder Insolvenz führen können. In diesem Zusammenhang verdichten sich auch Haftungsrisiken für die Geschäftsführer, die Möglichkeiten und Mittel prüfen müssen. Dies geschieht beim Personaleinsatz und einer etwaigen Kurzarbeit ebenso wie bei der Beantragung von Fördermitteln, dem Abschluss von Neuverträgen oder die Auseinandersetzung bei einer Beendigung oder Rückabwicklung von Verträgen. Durch gestörte Lieferketten oder Einschränkungen aufgrund der Infektionsvorschriften kann dies in vielen Bereichen der unternehmerischen Tätigkeit relevant werden.

Darüber hinaus sind z.B. bekommt das Thema Arbeitssicherheit und das Thema Datenschutz besondere Relevanz, wenn die Mitarbeiter mit vielen Kunden/Vertragspartnern in Berührung kommen, mit vielen Kollegen im gleichen Raum arbeiten oder wenn die Arbeiten vom Home Office aus erledigt werden sollen.

Auch auf die gesellschaftsrechtlich organisatorischen Maßnahmen hat die Pandemie Auswirkungen. Dies betrifft zum einen die Aufrechterhaltung der Geschäftsführersitzungen und den Austausch zwischen den Geschäftsführern und etwaigen Aufsichtsräten, die es auch in der GmbH geben kann. Zum anderen ist auch der Dialog mit den Gesellschaftern teilweise nur eingeschränkt möglich. Der Gesetzgeber ist in diesem Bereich tätig geworden und ermöglicht bis zum 31. Dezember 2021 Gesellschafterversammlungen in virtueller Form oder im Umlaufverfahren, ohne dass es der Zustimmung aller Gesellschafter für solche präsenzlose Beschlussfassungen bedarf.

 

4. Autorenprofil


Johann van der Veer Versicherungsrechtng & D&O

Über Andreas Hecker

Andreas Hecker berät im Gesellschafts-/Vereinsrecht, im Kapitalmarktrecht und im Umwandlungsrecht. Dies umfasst unter anderem die Begleitung von Haupt- und Gesellschafterversammlungen börsennotierter und nichtbörsennotierter Gesellschaften, die Beratung bei Fragen zur Organhaftung und zur Corporate Governance, die Begleitung von Emissionen sowie die Strukturierung und Durchführung von Reorganisationsmaßnahmen (z.B. Formwechsel, Ausgliederungen und Verschmelzungen). Die Beratung der Mandanten schließt hierbei auch die Prozessführung in den vorstehend genannten Themenfeldern ein. Darüber hinaus unterstützt Andreas Hecker seine Mandanten bei der internen Organisation und Berichterstattung zur Compliance und zur Corporate-Social-Responsibility (CSR). Zudem berät er bei Unternehmenserwerben und –veräußerungen (M&A). Andreas Hecker ist langjähriger Referent bei Seminaren zum Gesellschafts- und Konzernrecht sowie Dozent für Fachanwaltslehrgänge. Er veröffentlicht regelmäßig zu gesellschafts- und vereinsrechtlichen Themen in Fachzeitschriften und Branchenmagazinen.

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Über Hoffmann Liebs

Hoffmann Liebs ist mit über 60 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten am Standort Düsseldorf tätig. Die Kanzlei berät seit 1979 mittelständische Unternehmen und internationale Konzerne ebenso wie die öffentliche Hand bei komplexen und anspruchsvollen wirtschafts­­­rechtlichen Mandaten. Das Beratungsspektrum der Sozietät umfasst nahezu sämtliche für die Unternehmenspraxis relevanten Rechtsgebiete. Unsere Kompetenzen reichen von der umfassenden wirtschaftsrechtlichen Begleitung bis zur Beratung in komplexen Transaktionen und ausgefallenen Spezialmaterien. Dabei verbinden wir die jahrelangen praktischen Erfahrungen mit den ausgeprägten Spezialisierungen aller Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Zu unseren Mandanten zählen Start-ups, kleine und mittlere Firmen ebenso wie im DAX, MDAX oder an ausländischen Börsen notierte Gesellschaften. Die Kombination aus juristischem Einfallsreichtum und wissenschaftlicher Tiefe bestimmt die hohe Qualität unserer Beratung. Personelle Kontinuität garantiert unseren Mandanten eine persönliche und individuelle Beratung durch vertraute Partner der Kanzlei. Vom zentralen Standort in Düsseldorf sind wir bundesweit und international tätig. Außerdem verfügen wir über ein eigenes China Desk sowie ein durch langjährige Zusammenarbeit erprobtes Best-Friends-Netzwerk renommierter Kanzleien in Europa, Amerika und Asien.

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